Tabea Blumenschein.


Museen sind inspirierend und öffnen den Blick hinaus – hinüber – dahinter und nach vorne. Gestern verachtet – heute beachtet. Gleich neben dem jüdischen Museum in die Berlinische Galerie. Themenausstellung und Sammlung. Beeindruckend und herausragend der Teil – das „Zusammenspiel“ von Tabea Blumenschein (1952 – 2020) und Filmemacherin Ulrike Oettinger (1942). Die beiden waren wichtige Protagonisten in der Berliner Kunstszene. Comicartiger – in manchen Zügen an Egone erinnernder Stil. Bunt, simpel und kontrovers. 

Die Süddeutsche schrieb:

Zum Tod von Tabea Blumenschein:

Die Süddeutsche

Tabea Blumenschein war Schauspielerin und Kostümbildnerin, Künstlerin, Performance-Rockerin und Covergirl für weibliche Homosexualität. Nun ist die Berliner Ikone im Alter von 67 Jahren gestorben.

Anfang der Achtzigerjahre war Tabea Blumenschein im West-Berlin hinter der Mauer ein so allgegenwärtiges wie unnahbares Kraftzentrum der Subkulturen. Als Hauptdarstellerin in Ulrike Ottingers Film „Bildnis einer Trinkerin“ war sie 1979 zur Diva-Gestalt jener multitalentierten Welt geworden, die sich dann zwei Jahre später beim Festival „Geniale Dilletanten“ zur Zeitströmung formierte. Ihr schneller Ruhm kam nicht zuletzt durch die wegweisenden Kostüme, die sie selbst entworfen hatte. Weil man damals viel können durfte. In Ottingers Vorläuferfilm „Madame X“ über die Abenteuer einer lesbischen Piratentruppe hatte sie noch Regie geführt. Später wurde sie dann Künstlerin, trat mit der Rockperformancegruppe Die Tödliche Doris auf, diente dem Stern als Covergirl für eine Geschichte über weibliche Homosexualität und drehte einen Dokumentarfilm über die Welt der Skinheads, die es damals noch in rechten und linken Gesinnungslagern gab.

Die Liste der Nebenrollen im „Bildnis einer Trinkerin“ liest sich wie ein Koordinatensystem des damaligen Berliner Kulturkosmos. Nina Hagen spielte mit, damals noch veritabler Rockstar, der Fassbinder-Gefährte Kurt Raab, der ewige Agentendarsteller Eddie Constantine, der Bildhauer Wolf Vostell und der Maler Martin Kippenberger. Das war ein Berlin, in dem die Freundschaften fast so wichtig waren wie die Werke. Wolfgang Müller, der Die Tödliche Doris gegründet hatte, schrieb in seinem Nachruf im Berliner Tip-Magazin, dass sie als „eine Prä-Form des feministischen queer Punks erschien, der sich Jahrzehnte später in Riot Grrrl äußerte“. Und zitierte sie: „Ich mache mich doch nicht hässlich, um Männern zu missfallen, sondern schön, um Frauen zu gefallen.“

Müller erzählt auch die Anekdote, dass Tabea Blumenschein dann mal Bilder von Martin Kippenberger in die Mülltonne gestopft habe, weil ihr der Platz fehlte. Später hätte sie die gut brauchen können. Denn Geld verdienten die „Genialen Dilletanten“ selten. In den Neunzigerjahren lebte Tabea Blumenschein eine Zeit lang in einem Obdachlosenasyl. Da verschwand sie aus dem Bild der Stadt. Hin und wieder spürte ihr mal jemand nach. Fand sie dann in einer Einzimmerwohnung im Plattenbauviertel Marzahn. Am Montag ist Tabea Blumenschein gestorben. Sie wurde 67 Jahre alt.

Wenn Punk seine Vorläufer*innen in Persönlichkeiten wie Iggy Pop, Lou Reed oder Patti Smith hat, hatte die feministische Punkrevolution Riot Grrrl eine Vorläuferin in Tabea Blumenschein. Sie war sexpositiv und queer, als es die Begriffe noch gar nicht gab. 

Berühmt geworden mit der Hauptrolle in Ulrike Ottingers Film „Bildnis einer Trinkerin“, fand die Blumenschein ihr Publikum bei Partys im Risiko, dem Dschungel oder dem SO36 im wilden Berlin der Achtziger. Sie mischte mit in der Avantgarde-Punkszene der Genialen Dilletanten von Wolfgang Müller und war Mitglied der wohl wichtigsten Gruppe dieser Szene, der Tödlichen Doris. Sie drehte den ZDF-Film „Zagarbata“ und entwarf für Andy Warhol und Claudia Skoda Kleider. In einer Zeit, als es noch keine Hella von Sinnen, Anne Will oder Dunja Hayali in den Medien gab, sprach sie mit dem „Stern“ angekleidet oder in dem Erotikheftchen „High Society“ entkleidet über ihr lesbisches Leben. Obwohl Tabea Blumenschein sich wohl nicht als Feministin gesehen hat, nahm sie vieles aus der dritten Welle des Feminismus vorweg.

Ihr zweites Leben, die letzten 30 Jahre, verbrachte Tabea Blumenschein im Osten der Stadt – erst Adlershof, dann Marzahn. Einige deuteten das, wie ihre Zeit in einem Obdachlosenheim, als einen Abstieg, aber für sie selbst war es das keineswegs. Tabea Blumenschein hat sich nie um Konventionen geschert, erst recht nicht darum, was Statussymbole für andere waren. Ob sechs Zimmer im Altbau in Schöneberg oder ein Zimmer in der Marzahner Platte war ihr egal. Ihre Kunst berührte das sowieso nicht.


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