Schon wieder einer. Persönlich war er einer meiner gut versteckten musikalischen Lieblinge. Leider auch im Waltl-Archiv schändlich zurückhaltend und schäbig wenig oft gehört. Natürlich nur. In der Reprise. Immer bewundert. Vor allem. Seine Covers seiner CDs. Selbstgemacht. Wahre Kunstwerke. Und wie so abnorme riesige Gucklöcher in eine fremde, eigene Welt. Die Musik, bodenständig, einfach und doch zart-phantastisch und irgendwie „anders“ – auch aus einem eigenen Kosmos. Geheimtipp – in der weiten Welt. Nicht im Kosmos von Dee Joy Herberthino! (Es folgt ist ein persönliches imaginäres Schulterklopfen!) Amerika ist ja bei uns derzeit unter „Quarantäne“ – aber manche Idole, egale wie und was bleiben einfach ZEITLOS.
Manche kennen Michael Hurley als Mike, andere als Doc Snock, die meisten kennen ihn gar nicht. Was gut 60 Jahre nach Hurleys Debüt-LP („First Songs“, Folkways, 1964) ein schlechtes Licht auf die globale Hörerschaft wirft. Wobei die öfter gehörte Auszeichnung als „Godfather Of Freakfolk“ seiner Rolle nicht gerecht wird. Seine oft absurd-lustigen Texte hüpfen auf gemächlichen Folksongs, die Zuhörende in eine meditative Trance versetzen. Eine eigene Welt, die nun ihre nölend kauzige Stimme verloren hat. Michael Hurley ist vergangene Woche mit 83 Jahren gestorben.

Detlef Diederichsen schreibt in der taz zum Tod des US-Singersongwriters Michael Hurley, den jahrzehntelang kaum einer kannte, bis ihn Indie-Musiker in den Neunziger fast schon gegen dessen Willen ins Rampenlicht zogen. Er „hätte alles Mögliche sein können. Ein Greenwich-Village-Folk-Star wie Bob Dylan oder Phil Ochs. Ein Westcoast-hinter-den-Kulissen-Hippie-Held wie Dino Valente oder Skip Spence. Ein Underground-Comic-Star wie Robert Crumb oder Don Martin. Ein Beatnik-Bonvivant wie Ed Sanders oder Allen Ginsberg. Alles Möglichkeiten, die ihm offenstanden, alles Wege, die er nicht gegangen ist, weil er nicht ‚career–minded‚ war, wie er es nannte. So veröffentlichte er ab 1964 immer wieder mal ein Album, aber lebte lange nicht von der Musik, sondern von den größtenteils bei seinen Konzerten verkauften großformatigen Gemälden.“ Neben Stücken aus dem Fundus der US-Folkmusik, aus dem er sich bediente, spielte er „eigene versponnene Songs, die wenig mit der ihn umgebenden Welt und den Zeitläuften zu tun hatten, sondern mitunter wie klassische Fabeln oder philosophische Gleichnisse anmuteten, genauso gerne aber auch nur umständlicher Quatsch waren.“

Früher – im April 2021.
Kaum glauben kann Detlef Diederichsen, dass „unsere untote Tonträgerindustrie in ihrer Agonie“ eine Karriere wie die der amerikanischen Folk-Legende Michael Hurley zulässt. Umso freudiger sieht er seinen Konzerten in Deutschland entgegen: „Dabei macht Hurley immer noch sehr freundliche, versponnene Folk-Songs, mit klarem Country-Anteil. Ihn als alten Hippie zu bezeichnen, ist nicht ganz abwegig. Desinteresse an Kohle und Karriere ist bei ihm keine Pose, sondern selbstverständlich. Dennoch schafft es Michael Hurley, seit fast 50 Jahren professionell Musik zu machen, Songs zu schreiben, Alben zu veröffentlichen, Konzerte zu geben. Und zwar ausschließlich wann, wo und wie er es will.“
