Eisern: Die Rot-Weissen.


Wir haben ja im Vorfeld Köpenick schon besucht – sind über den für uns einfacheren Weg gekommen. Haltestelle: „Schöneweide“ und dann die Strassenbahn. Wohl weil wir in Schöneweide einmal für ein paar Minuten im S-Bahn-Wagen „gefangen“ waren. Endstation. Diesmal trotten wir wie die Lemminge mit der Masse mit, alle sind in rot-weiß adjustiert und steigen zu. Die Anfahrt ist entspannter – wie überhaupt alles rund ums Stadion. Es geht vorbei an „Aufwärmzentralen“, wo sich die Fans treffen. Wir schauen dass wir ins Stadion kommen, vorbei – durch ein kleines Wäldchen – putziger Eingang. Wir haben Tribüne 3 – Sektor P – Stehplatz. Es ist 16:10. Die „Eisernen“ sind Tabellenführer und es geht gegen den BVB. Alles ist entspannt-locker. Unübertrieben. Auffällig. Viele Kinder und Familien. Grölen und Schlachtgesänge – Mangelware. Wir sind im Stadionoval. Klein. Ein Schmuckkästchen. 

Das Mantra ist weithin sichtbar und hängt am Stadiondach:  

Links in großen Lettern: „Eisern Union“ Auf der Gegentribüne (Die einzigen Sitzplätze) „Auf einer grünen Wiese zwei Tore aufgestellt und zwischen diesen Toren das beste Team der Welt.“ Rechts von uns Stehplatztribüne – „Unsere Liebe. Unsere Mannschaft. Unser Stolz. Unser Verein.“ – „Und niemals vergessen“ prangt in großen Buchstaben darüber. 

Stadion – An der Alten Försterei

Wir schauen uns um. Viel Platz. Unsere ganze Tribüne – Steher. Jeder Stehplatz mit einer Nummer versehen. „Da oder da!“ Überlegen. Neben einer Säule, zwei Stufen vor der oberen Gehbalustrade – da? Genau „… ja, das passt!“ 

Was wir nicht gewußt haben:

Hier sind nur „Stammgäste“, dass heißt alle Plätze sind – ja vergeben. Jeder weiß wo er steht. Ganz genau. Bei 20.500 Besucherplätzen gibt es keinen „freien Kartenverkauf“. Deshalb erkennen die Experten jeden neuen Gast sofort. Ich wollte den jungen Mann mit den vielen Unionpins am Kopf („Pinkapplträger!“) vor mir fotografieren und habe ihn gefragt. Dann ging’s los:“Wo kommt ihr her?“, „Ihr seid hier in unserem Revier. Herzlich willkommen!“ „Wir sind 50 Menschen, die hier stehen! Immer die gleichen.“ „Ich stehe hier seit Jahrzehnten!“ – Ein euphorisches Einführen in die Union-Welt läßt sich nicht aufhalten. Sympathisch-euphorisch allemal.  OMArlis steht am Originalplatz vom Pinkapplträger. Ich auf dem Platz von einem „Unionsponsor“, der den Stehplatz der Loge auf der Gegenseite vorzieht. „Hier ist mehr los!“ – „Habt’s ihr die Ohropax dabei?!“ – Es wird laut. 90 Minuten!“ WIR: „Wir sind bereit!“. Der Sponsor erzählt über den Verein, dass er selber bei Union gespielt hat, erzählt vom ersten Spiel, dass er an der Alten Försterei gesehen hat, dass das Ziel 40 Punkte sei, nicht absteigen, dass die Rot-Weissen etwas Besonderes seien, – meine Frage über den Auftritt und Shitstorm mit dem Autokraten Viktor! –  „das mit Orban hat man richtiggestellt“ – auf normalen Wege gibt es keine Tickets für ein Spiel, – wenn man nicht jemanden kennt – keine Chance – äh Frage? – illegale Ticketgeschäfte ? – … werden unterbunden, – das teuerste Ticket kostet EUR 18,00 – das inzwischen legendäre jährliche Weihnachtssingen (seit 2003!) am Rasen hat man nicht aus Verdienstmöglichkeit organisiert, sondern um die Mannschaft nach einer schlechten Spielsaison moralisch zu unterstützen, 45.000 sind es, der Pinkapplträger korrigiert fast 46.000 Vereinsmitglieder, 10.000 von ausserhalb. Stolz: Man kennt sich. Jeder neue Gast im Stehplatzkietz „P“ wird sofort erkannt. Je nach Sympathiepunkten anerkannt und mitgenommen oder beinhart rausgedrängt. Wir sind willkommen und dürfen bleiben. Diese „Kiez-P“ Verbundenheit bedeutet dass der Platz beim Toilettengang, Bierholung danach noch da und wieder freigedrückt wird. Es stimmt, man steht Schulter an Schulter. Eng. Man teilt diese besondere Liebe zu einer Mannschaft, einem Stadion mit seinen Freunden. Die Stimmung ist gelöst. Als wir das erste Mal Biernachschub holen wollen, wird das vom „Kietz“ übernommen. Schnurstracks ist der Becher voll. Pinkapplträger und Sponsor schenken ein. Wir revanchieren uns. „Konflikt Ost-West-Berlin?“ „Nein. Keine. Wir haben mehr Westberliner als Ostler, sagt der Sponsor. Befreundete Bundesligavereine? Freiburg – die haben eine ähnliche Philosophie und Werte wie wir. Das Wort Hertha wird uns gleich verboten, die Rot-Weissen nehmen es nicht in den Mund. „Die Charlottenburger“ heißen die Blau-Weissen nur. „Großmansucht, Proletariat, Sprücheklopfer – dabei haben die auch noch nie etwas gewonnen!“ Ignoranz tut wohl mehr weh als verbale Schmähungen oder Diskussionen. 

Es passiert viel. Vor dem Spiel. Und nach dem Spiel.

Die Gesänge beginnen. Mehrere Hymnen. Unser ganzer P-Kiez, das ganze Stadion kennt die Texte. Eine Nummer ist, bei der auch Nina Hagen mitsingt. Der Gesang und Lärmpegel dauert bis nach Schlusspfiff. Ohne Unterlass. Gastmannschaft, Schiedsrichterteam wird Minuten vorher unprätentiös aber freundlich begrüßt. Beim ehemaligen Union-Spieler Schlotterbeck wird der Empfang mit „Fuß-ball-gott“ untermalt. Bei der eigenen Mannschaft kriegt das jeder Spieler tausendfach um die Ohren geschriehen „Fuuuuusssss-baaaaalll-goooott“ Die Taktik und Strategie der Fans wird nicht gleich sichtbar. Dann aber glasklar. Die Gastmannschaft und ihr Tun ist für das eigene nicht wichtig. Egal. Es wird nicht gegen die Gäste gepfiffen, sondern immer nur für das eigene Team. Verstärkt – wenn etwas gelingt, hinten wie vorne!

Man fühlt sich wohl. Es ist ein besonderes Erlebnis. Hineingepfercht in einen schier riesengroßen Knäuel Erwachsener. (Wir erfahren noch, es gibt eigene Familienkieze!) Umfallen unmöglich. Bierholen wird zu einer Teamarbeit und erledigt. Zwischendurch kriegen wir auch immer wieder Informationen über Spieler, Hintergründe usw. 

Union ist nur dank des Publikums und des eigenen Selbstbewusstseins stärker als der BVB. Der ist irgendwie geschockt-blockiert und ein Schatten von dem was man so im Fernsehen sieht oder der Mannschaft zutrauen würde. „Wir haben von 36 Heimspielen nur 3 verloren“ gibts zu hören. Wir verstehen, warum. Hier zu spielen, muss für Gästemannschften perfide sein, man kann sich nicht über das Publikum, das gegen einen ist motivieren. Weil: Das Publikum nimmt einen gar nicht wahr. 10 % vom Stadionkontingent geht an die Gäste. Die 2.200 Dortmunder waren fahnenschwingend zu sehen. Hören tat man nix.  „Ein wenig erinnert der Erfolgslauf an den Leicester in der Premiere League!“ – ER: „Wir wollen die 40 Punkte, dann schauen wir weiter!“  Klar wollen die „Eisernen“ mehr, nicht umsonst war eines der Lieder „Meister wird die Union!“

Mantra ist allgegenwertig. 

Das Mantra ist weithin sichtbar und hängt am Stadiondach und hat wohl jeder der 46.000 Vereinsmitglieder mit den Passdaten eingespeichert. Links in großen Lettern: „Eisern Union“ Auf der Gegentribüne (Die einzigen Sitzplätze)

Auf einer grünen Wiese zwei Tore aufgestellt und zwischen diesen Toren das beste Team der Welt.

Rechts von uns Stehplatztribüne –

Unsere Liebe. Unsere Mannschaft. Unser Stolz. Unser Verein.

„Und niemals vergessen“

prangt in großen Buchstaben darüber.Die Werte hochgehalten. Solidaritätsbanner mit den Pauli-Fans zu der überzogenen Polizeiaktion tagszuvor beim Hamburger Derby. 

Fazit.

Wahnsinnsstimmung mit viel Wohlfühleffekt. Sicher und ohne „Angstwolken“, Gewissheit nur bei einem simplen Fußballspiel dabeizusein, günstig – aber nicht für jeden- eben nur für die 22.500 Auserwählten. Verknappung pur schafft Nachfrage! Einfachheit – das Union-Magazin gar im schlichten 80er Layout (Format A5) für 2 Euro überall verkauft,  das überschaubare Gastroangebot mit 2 Wurstsorten im Semmel und Kartoffelbällchen (statt Pommes) neben den Getränkebuden das einzige. Und auch das reicht. Alles passt zusammen. Stadion, Team, Fans, Flair … Für uns war es ein unvergessliches Erlebnis. Augenkino. Ohrenspektakel. Wer je die Chance hat, das zu einmal live zu erleben, zugreifen. Gesamtes Union-Paket – für mich ein unkopierbares Unikat. Gewachsen. Etwas dazugelernt? Ja, jeder muss sich selber treu bleiben, Haltung zeigen, Rückschläge wegstecken, die ganz spezielle Einzigartigkeit und Besonderheit herausarbeiten, pflegen. „Das sein, was man ist – und nicht mehr!“ Verbündete, Freunde und Sympathisanten für die Idee begeistern und sich die Zeit zum Wachsen und Gedeihen geben. 

Schade, der „Sponsor“  (er hat für jedes Heimspiel 10 Tickets) wollte uns noch einmal in die Försterei einladen. Auf seine versprochene Mail warten wir noch. Wir hätten ihn gerne als „Gastreferenten“ nach Tirol eingeladen. Da könnte er unseren einheimischen„Experten“ ein paar Infos weitergeben. Genau, die UNION würde gut als befreundeter Verein zu TIROL passen. Freundschaftsspiel. Austausch.

In unserer heurigen Fußballbetrachtungsskala wird das Spiel sich ganz vorne einreihen. In unserer kleinen 2022-er Liste sind die Mitbewerber UD Las Palmas, FC Malaga, IAC-Innsbruck, Wacker Innsbruck, WSG-Tirol, Klagenfurt, WAC Wolfsberg, die Hertha, Freiburg und der BVB. 


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