Dickes B für die Waldbühne.


Freitag! 9. September – Der Tag mit SEEED. Auf ins Olympiagelände. Waldbühne heißt das Zauberwort. Wir sind schon viel früher da. Schauen uns am Olympiagelände den Glockenturm von 1936 an, fahren hinauf und genießen die Aussicht von dort. Davor das große „Reichssportfeld“ vor den Maifeldtribünen und dem Turm. Die Düsternis des Hitlerreichs ist nicht nur sicht- sondern auch irgendwie spürbar. Groß. Bombastisch. So stellt man sich diktatorisches Leben AUCH vor. Trotz Sonnenschein und vieler Jahrzehnte Vergangenheit. Danach suchen wir ein Lokal. Gar nicht so einfach. Wir müssen laufen, bis die Sohlen rauchen. Direkt vor dem Olympiastadion werden wir fündig. „Olympia-Eck“. Beschließen in die Hertha Geschäftsstelle zu gehen und uns um Karten für das samstägige Spiel gegen Leverkusen zu bewerben. Aussichtslos. Ausverkauft. Zurück. Seeed war ja auch ausverkauft. 3x – am Donnerstag, Freitag und Samstag. Ursprünglich die Konzerte ja für 2020 geplant, durch Corona zweimal verschoben!!!

Und dann Anstellen vor der Waldbühne. Einlass.  Abmessen der erlaubten Taschen im max-Format vn A4! – Wahnsinn, dann – waaaaaas für ein Ambiente. Wir suchen uns einen Platz. Ziemlich nahe zu den WC-Anlagen und Bierausschank. Beides ist dann später, bei so 22.000 Zuschauern ein weniger lustiges Unterfangen. Unterhalten uns mit unseren Sitznachbarn, Berliner – besuchen das SEEED-Konzert zum zweiten Mal hintereinander. Und geben sich auch noch den dritten Termin am Samstag. Sie: „Haben Sie nicht das Gefühl, dass viele Berlinerinnen und Berliner unsympathisch sind?“ WIR: „ Können wir NOCH NICHT bestätigen!“ SIE: Waren schon bei vielen anderen Konzerten von SEEED. Kennen sich also bestens aus. Prophezeien einen besonderen Abend – im Gegensatz zum Vortag, als es in Strömen regnete. Als Vorgruppe gibt es dann einen DJ- mit 3 Tänzern. M.I.K. & Family. Es wird langsam dunkel. Was folgt ist die österreichische Kultgruppe BILDERBUCH als Vorband. Mehr als leicht -falcoesker  und zu viel, zu eskaltierter Auftritt der Band und seines Bandleaders. „Scheiß auf die Queen!“ als lapidarer Sager ist dann allerdings eine schwach-entbehrliche Ansage von Leadsänger Maurice Ernst. ERNSTHAFT. Die Show aber gelungen und sehenswert. Danach – kurze Pause. Die Waldbühne rammelvoll. Erster Applaus. Die „La-Ola-Welle“ schwappt von links nach rechts und wieder retour. Der Weg zu den Klosetts ein Hindernislauf quer und waldaufwärts. Dann Donnerrollen, dann SEEED.

Die Show ein durchgängiger „Hammer“ – alle Tophits der Dancehall-Artisten jagen sich gegenseitig in die Murellenschlucht. Und die Fans sind von der ersten Minute an, dabei. Singen mit. Kennen alle Texte. Tanzen. Durcheinander und Miteinander. Unter La-Ola-Welle und Seeed-Rufen kam die Band auf die Bühne. Die Menge feierte, als es endlich hieß: „This is Seeed, ya“. Auf der Bühne brennen SEEED ein Feuerwerk ab.  Die elfköpfige Band um die Leadsänger Pierre Baigorry alias Peter Fox und Frank Dellé legte los. Der erste Song des Abends war „Ticket“. Das Lied ist Demba Nabé gewidmet, der 2018 verstorben ist. Bis zu seinem Tod war er neben Baigorry und Dellé Frontmann des Musik-Kollektivs. Alles, was man von SEEED kennt wird gespielt, ein wenig anders als damals in Imst, ist ja auch ein Heimspiel. Rund zwei Stunden dauert das Konzert. Und die Masse near Waldbühne ist ausser Rand und Band. Getanzt, Geschunkelt, hin und her-geschwoft, Mitgesungen, Hände in die Höhe, möglichst beide und dann noch biertrinkend – das sind die wahren Könner. Eine besonderes Konzert. Auf jeden Fall. Laut – auch. Perfekt abgestimmt und ausgeleuchtet. Rundum ein Megaerlebnis auf dieser in Europa einmaligen Open-Air-Bühne. Direkt in Berlin. Aus dem Geschichtsbuch der Waldbühne: 

Die Berliner Waldbühne (ehem. Dietrich-Eckart-Freilichtbühne) wurde im Zuge der Baumaßnahmen für die Olympischen Spiele von 1936 in einer Ausbuchtung der Murellenschlucht unter Leitung des Architekten Werner March nach Plänen von Conrad Heidenreich errichtet. Die Schlucht bildet einen natürlichen Talkessel am Murellenberg, an dessen Hang die Zuschauerränge hochgebaut wurden. Der Bau der Waldbühne orientiert sich an dem antiken griechischen Theater in Epidauros. Wie in antiken Arenen steigen die Sitzränge mit der Entfernung von der Bühne zunehmend an, was der Akustik zugute kommt. Die Gesamtfläche beträgt 69.585m². Ihr Zuschauerbereich bietet 22.290 Personen Platz. Östlich der Waldbühne schließen sich die zum Olympiapark Berlin gehörenden Bereiche des Glockenturms, des Maifeldes und der Langemarckhalle sowie das Olympiastadion Berlin an. 1936 fanden hier die olympischen Turnwettkämpfe, sowie ein kulturelles Rahmenprogramm statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Bühne den Namen Waldbühne. Zunächst diente sie als Freilichtkino (u. a. Spielort der Berlinale), dann wurde sie für Boxkämpfe genutzt. Seit 1962 wird die Waldbühne Berlin aufgrund ihrer guten Akustik und einmaligen Atmosphäre vor allem für Konzerte genutzt. 1982 wurde die heutige Zeltdachkonstruktion über der Bühne installiert, seither gilt die Waldbühne Berlin als eine der schönsten Freilichtbühnen Europas und ist eine Berliner Institution. Kultstatus besaßen die Filmvorführungen der Blues Brothers und der Rocky Horror Picture Show, zu denen jährlich tausende Fans in Verkleidung zum lautstarken Mitsingen kamen. International und national besitzt die Bühne unter Künstlern noch immer einen hervorragenden Ruf und ist in den Monaten Mai bis September ein populärer Platz für Rock-, Pop- und Klassik Konzerte.

Und heute eben SEEED

Was die Band ausmacht, ist vor allem ihre Vielseitigkeit. Wenn man die Fans fragen würde, was SEEED für Musik macht, dürfte es den meisten schwerfallen, eine klare Antwort zu geben. Die Rhythmen, die sich zwischen Dancehall, Reggae, Hip-Hop und Ska bewegen, sind so einzigartig, dass man für SEEED eigentlich ein eigenes Genre erfinden müsste. Eins, in dem ein rockiges Gitarrensolo auf den entspanntesten Reggae-Beat gespielt werden kann, während auf Deutsch und Englisch gerappt wird und das Ganze auch noch irgendwie cool klingt. Klar ist: Diese Musik ist geschrieben worden, um live gespielt zu werden. Wenn man SEEED nur von ihren CDs kennt, kann man sich nicht wirklich vorstellen, was in diesen Songs steckt und wie selbst die langsamsten Beats der Band eine ganze Arena aus den Sitzen reißen können.

Dazu kommen natürlich die witzigen und prägnanten Texte. Zuerst bringt Peter Fox mit dem Song „Schwarz zu Blau“ über die hässlichsten Seiten Berlins nach eigenen Worten „November-Vibes“ auf die Bühne. Dann folgt „Sie ist geladen“ (feat. Nura), ein urkomisches Lied „über toxische Liebschaften“.

Zum Abschluss aber darf ein Song natürlich nicht fehlen: „Dickes B“ (das B steht natürlich für Berlin). Die Musiker zollten in ihren kurzen Ansprachen zwischen den Songs der Stadt, der Quelle ihrer Inspiration, immer wieder Tribut. Das kulminierte jetzt in der Berlin-Hymne, wegen der viele die Band kennen. Die perfekte Zugabe für so ein Konzert in der Hauptstadt. In Corona-Zeiten sind die Zeilen des Refrains – „Im Sommer tust du gut und im Winter tut’s weh“ – noch ein bisschen realer geworden.

Und dann ist leider auch schon Schluss. Wie im Flug sind die zwei! Stunden vergangen. Ein echter Peter Fox zum Abschied: „Haut rein, kommt gut nach Hause und baut keine Scheiße!“

Wir, wir sind begeistert, nach Marty Stuart, jetzt ein weiterer „Hochkaräter“ auf der Live-Musik-Liste. 


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